AM66 – Brief an Walter Gropius
Neuilly-sur-Seine, Sonntag, 7. Mai 1911
7 Mai
[oben:] Vergiss nicht, – mich theilnehmen zu lassen. Mein Lieb.
Innigen Dank für alles. Brief und Bild und – – Liebe. Das Bild kannte ich genau. Wenn Du einmal nach Wien kommst, führe ich Dich zu Freunden[,] die den von haben. Es ist mir eines seiner liebsten Bilder. –
[. . .] Eben war Prof. wieder da. Er fand heute etwas besser. Aber in seinem Blut sind noch immer Strep-
tokokken – die Lage Sachlage noch immer sehr ernst. – Ich muss sagen, dass ich eine große Frohe [!], trotz all dem Traurigen[,] in mir fühle, dass ich die Kraft habe – zu helfen – und zwar continuirlich zu helfen[,] was viel schwerer u. opferheischender ist, als eine schnelle Heldenthat. – Langsam fange ich wieder an, an mich zu
denken, – es muss wohl die Sonne sein – die so glänzend zum Fenster herein fließt – die mich zu diesen selbstsüchtigen Gedanken bringt. Ich hatte die letzten Monate ein Gefühl von Sünde – wenn ich nur an irgend eine Freude für mich – von Weitem – dachte[.] –
Heute sehne ich mich nach Leben – Schönheit – Überfließen[.]
Mein geliebtes Herz
schreibe mir unzählige Male – liebe mich unermesslich, – wirf Dich nicht weg – oder aber – sag’ es mir frei. Arbeite[,] mein Schatz – und werde etwas, auf das ich stolz sein kann. Wenn ich es leicht einrichten kann, so bitte ich Dich[,] zu kommen, aber jetzt ist noch nicht die Zeit da. Schreibe mir alles über
[linker Rand:] Dich – Dein Arbeiten, Dein Reussiren — Deine Fehlgeburten – alles.
Apparat
Überlieferung
, , , .
Quellenbeschreibung
1 DBl. (4 b. S.) – Briefpapier.
Beilagen
Umschlag, , – Germania | Berlin W | Nicolsburgerplatz 4. G. IV | Herrn Walter Gropius; PSt.: NEUILLY S/ SEINE | SEINE | 15 15 | 9 – 5 | 11; von WG mit einer 21 (Zur Nummerierung von Alma Mahlers Briefumschlägen) sowie dem Empfangsdatum 10.5.11 versehen.
Druck
, S. 111 (partielle Inhaltsangabe, irrtümliche Verknüpfung mit Auszug aus AM65 und einem Brief an vom 7. oder 8. Mai 1915 [!] (Inv.-Nr. , ), , S. 1255, bei Anm. 106 und S. 1262, bei Anm. 132 (Auszüge in engl., teils in unterschiedlicher Übersetzung).
Korrespondenzstellen
Beantwortet durch WG134 vom 10. bis 18. Mai 1911 (Deinen Heldenmuth habe ich gelesen): dass ich die Kraft habe – zu helfen – und zwar continuirlich zu helfen[,] was viel schwerer u. opferheischender ist, als eine schnelle Heldenthat.
Datierung
Poststempel: 9. Mai 1911, 15.15 Uhr.
Absendedatum: „9 May 1911“ (, S. 1255, Anm. 106), „9 May“ (, S. 1262, Anm. 132).
Schreibdatum: irrtümlich „am 30. April und am 1. Mai“ (, S. 111), „aus der ersten oder zweiten Woche des Mai 1911“ (, S. 111), „7 May“ (, S. 1255, Anm. 106), „7 May [1911]“ (, S. 1262, Anm. 132).
Datiert durch AM und Poststempel: 7[.] Mai 1911.
Themenkommentar
Übertragung/Mitarbeit
(Bettina Schuster)
(Fabian Müller)
Brief und Bild – wahrscheinlich aus dem Entwurf WG133 vom 3. bis 7. Mai 1911. Das Bild war wahrscheinlich eine Beigabe , bei der es sich um eine Postkarte eines Gemäldes von Hodler gehandelt haben könnte.
Freunden – , Betreiber des Sanatoriums Dr. Anton Loew in Wien. Das Bild mit dem Titel (L’Elu) befindet sich heute im Besitz des Berner Kunstmuseums. Zur Provenienz s. Objektnummer 17300004 im (https://www.bildindex.de/document/obj17300004).
Unleserlich durchgestrichenes Wort, Anzahl der Buchstaben nicht erkennbar.
Chantemesse – Prof. Dr. , französischer Bakteriologe.
Streptokokken – s. AM62 vom 25. März 1911: recurrirende Endocarditis.
Arbeiten – s. Themenkommentar: Walter Gropius und Industriearchitektur.